Heidenheimer Zeitung – 05.04.2018

Die Schweizerin Ania Losinger kommt am 12. April mit ihrer Xala in die Stadtbibliothek – ein Instrument, das mit Holzstäben und Flamencoschuhen bespielt wird.

Ist es ein Stück Parkett, auf dem Ania Losinger da steht? Ein Floß? Eine Palette? Was macht sie mit den beiden Holzstäben in ihren Händen? Und: Hat sie tatsächlich Flamencoschuhe an?

Im ersten Moment wirft die aus der Schweiz stammende Musikerin und Tänzerin nichts als Fragen auf. Und weckt gleichzeitig das Interesse eines jeden, der sie entweder bei einem ihrer Auftritte live erlebt oder sich auch nur auf Youtube durch ihre Videos klickt. „Performance auf dem magischen Klangkörper Xala“, so beschreibt Losinger selbst ihre Kunst, die sie am Donnerstag, 12. April, um 20 Uhr in der Heidenheimer Stadtbibliothek vorführt.

Man muss tanzen, damit es klingt

Zeit also, im Vorfeld ihres Besuches einige Fragen zu beantworten. Punkt eins: Das Holz, das ihr zu Füßen liegt. „Die Xala ist ein Instrument, das zum Klingen kommt, wenn man darauf tanzt. Keine Bewegung – kein Klang“, erklärt Losinger, die das Unikat vor rund 20 Jahren zusammen mit dem Instrumentenbauer Hamper von Niederhäusern entwickelt hat. Nicht nur das Gerät an sich ist einzigartig; Losinger selbst gilt als die weltweit einzige Xala-Spielerin.

„Inzwischen haben wir mehrere Xalas entwickelt, die sich in Größe und Klang unterscheiden. Im Prinzip handelt es sich einfach um ein Perkussionsinstrument, das mit herkömmlichen Geräten aber kaum vergleichbar ist“, so Losinger. Ihre allererste Xala wog ungefähr 400 Kilogramm, maß zwei auf drei Meter und hatte 24 Klangstäbe aus Holz (ostafrikanisches Padouk) und Metall. Das Instrument, mit dem die Schweizerin in Heidenheim auftreten wird, ist bedeutend schlanker: 140 Kilogramm schwer, acht Klangstäbe, leicht auf- und abbaubar. „Die Xala III haben wir für die Weltausstellung in Shanghai gebaut, weshalb sie für den Transport im Flugzeug geeignet sein musste“, erklärt Losinger. Außerdem ist das Gerät mit Tonabnehmern versehen und kann verstärkt werden, weshalb es als elektroakustisches Instrument gilt.

Jeder Schlag ein Ton

Womit sich auch schon die Frage nach der Funktionsweise stellt – und damit zusammenhängend die nach der Bedeutung der Holzstäbe und der Flamencoschuhe. „Mit den Schuhen und den Stäben bespiele ich die Xala. Jeder Schlag ein Ton. Man kann es mit einer Art Riesen-Xylophon vergleichen“, sagt die Künstlerin. In der Mitte des Instrumentes sind fünf Klangflächen eingebaut, die sie hauptsächlich mit den Füßen bedient – von der Funktion ähnlich der eines Schlagzeugs. Somit kann sie tanzend zugleich die perkussive als auch die melodiöse Ebene bedienen.

Eigentlich ist Losinger nämlich professionelle Flamencotänzerin. Als solche entstand vor rund 20 Jahren jedoch der Wunsch in ihr, die traditionellen Normen zu verlassen und eine eigene künstlerische Sprache zu kreieren. „Das Hand- oder besser gesagt Fußwerk wollte ich aber beibehalten. Genau das hat mich ja auch beim Flamenco so angezogen: Als Tänzerin stampfend perkussiv am musikalischen Geschehen beteiligt zu sein.“ Der simple Holzboden verwandelte sich also in ein Instrument mit gestimmten Tönen – und Losinger in eine tanzende Musikerin.

In der Heidenheimer Stadtbibliothek wird sie am 12. April gemeinsam mit Mats Eser ihre Produktion „Scope“ präsentieren: Eine Live-Performance mit der Xala III und einem Fender Rhodes, einem Elektropiano aus den 70er Jahren. Und da der Ton eben erst durch den richtigen Tritt entsteht, ist das Xala-Konzert nicht nur etwas für die Ohren, sondern auch für die Augen: In einer Zeit, so Losinger, in der oft nicht mehr ersichtlich sei, wie der Ton, wie die Musik entstehe, sei die Xala eine Antithese – archaisch und hochmodern.

Komponieren auf dem Klavier

Mit Eser zusammen tritt die Schweizerin bereits seit 14 Jahren als Duo auf – „aber es gibt unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten, beispielsweise auch erweitert um Bass und Schlagzeug oder mit einem Orchester.“ Und wie lange benötigt die weltweit einzige Xala-Spielerin, bis ein solches abendfüllendes Programm entwickelt ist? „Dafür gibt es keine Regel. Aber meist mindestens ein Jahr“, sagt sie. Zuerst keimt in ihr eine Idee, dann folgen Skizzen, musikalische und tänzerische Improvisationen und schließlich wird das Material verdichtet und in bühnentaugliche Form gebracht. Was ihr dabei hilft, ist ihr allererstes erlerntes Instrument: das Klavier. „Das benutze ich immer noch zum Komponieren. Da aber die Töne auf der Xala anders angeordnet sind, ist die Übertragung eine koordinative Herausforderung.“ Ganz egal, wie die Koordination zwischen Tanz und Klang in der Heidenheimer Stadtbibliothek letztlich ausfallen wird – eine besondere Performance wird es allemal.

Joelle Reimer